Wie schaffen die Geisteswissenschaften einen ökonomischen Mehrwert?
Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind oft in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Der Kultur- und Kreativwirtschaft werden die Musik-, Film- und Designwirtschaft, das Kunsthandwerk, die Software-/Games-Industrie, der Buch-, Kunst-, Rundfunk-, Architektur-, Werbe- und Pressemarkt sowie die Märkte für darstellende Kunst und Phonotechnik zugerechnet. In diesem heterogenen Sektor ist in den letzten Jahren eine hohe Wachstumsdynamik zu beobachten. Er zählt zu den wachstumsstärksten Branchen der Weltwirtschaft (Creative Economy Report 2016, facts and figures /Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungskette, Fraunhofer 2012, S.1).
Was Philosophie, Kunst und Werbung verbindet
Zwischen 2012 und 2013 waren in der Schweiz 11% der Firmen und 6% der Beschäftigten in der Kulturindustrie tätig. Sie erzielten einen Anteil von 4% an der Bruttowertschöpfung der schweizerischen Wirtschaft (ebd). Das Beschäftigungsvolumen übertrifft jenes der Tourismusbranche und ist vergleichbar mit jenem der Finanzindustrie (5.8%).
Das Beschäftigungsvolumen der Kulturindustrie übertrifft jenes der Tourismusbranche und ist vergleichbar mit jenem der Finanzindustrie (5.8%).
Kultur- und Kreativwirtschaft und Innovation
Gesamtwirtschaftlich betrachtet von besonderer Bedeutung ist die der Kultur -und Kreativwirtschaft eingeschriebene Innovationsfähigkeit: Neues zu schaffen, Bestehendes anders darzustellen, Tabus zu brechen und Bekanntes in andere Kontexte zu stellen sind die ‚raison d’être’ der Kreativen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird als Impulsgeberin für zahlreiche andere Wirtschaftsfelder entdeckt. Sie gilt damit als Vorreiterin neuer Formen und Prozesse der Innovation. Es werden bisher nicht erkannte Bedürfnisse entdeckt und bisweilen neue Bedürfnisse generiert. Dies gewinnt für die Wettbewerbsfähigkeit anderer Branchen zunehmend an Bedeutung (Fraunhofer 2012, S.3), besonders bei service- und kundenbezogenen Innovationen. Hier wird möglicherweise ein Wertewandel eingeleitet, der zu einer ressourcenschonenden share und experience economy führt.
«Soziale Innovationen sind neue Wege, Ziele zu erreichen, insbesondere neue Organisationsformen, neue Regulierungen, neue Lebensstile, die die Richtung des sozialen Wandels verändern, Probleme besser lösen als frühere Praktiken, und die deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden» (Zapf, Über soziale Innovationen. Soziale Welt, 40, (1) 1989, S. 170-183)
Über die direkte Wertschöpfung hinaus schafft die Kunst- und Kreativwirtschaft für alle Wirtschaftsbereiche bedeutsame indirekte Mehrwerte: Die Kulturmärkte sind Pfeiler des Freizeit- und Tourismusangebotes namentlich in den Städten. Kultureinrichtungen wiederum werden für das Standortmarketing wie das Branding von weiteren Produkten genutzt. Kulturangebote zählen zu den wichtigsten Faktoren im Wettbewerb um Standortattraktivität.
«Jedes ungelöste gesellschaftliche Problem ist eine unentdeckte Marktchance»
P. Drucker
Die Geisteswissenschaften in Wirtschaft, Politik und Verwaltung
Über ihre angestammten Praxisfelder hinaus werden in einer hochentwickelten Volkswirtschaft von den Geisteswissenschaften vermittelte Kompetenzen mit steigender Tendenz nachgefragt. Aufgrund ihres generalisierten wie ihres spezifischen Wissens und ihren methodischen Kompetenzen schaffen Geisteswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft, Verwaltung und Politik einen direkten und konkreten Nutzen, wo
- Informationen aufbereitet und interpretiert werden;
- sozial oder kulturell bedingte Trends und Risiken erkannt und erfasst werden müssen.
- konkretes Wissen über gesellschaftliche Gruppen und Kulturen erforderlich ist;
- Fremdsprachenkenntnisse notwendig sind;
- Sachverhalte sprachlich vermittelt werden, überzeugende Argumente von Bedeutung sind und zum Handeln führende Botschaften formuliert werden;
- Menschen ausgebildet, geführt, motiviert, angeleitet, gecoacht, beraten und überzeugt werden
- und Menschen bzw. Anspruchsgruppen (stakeholders) in Entscheidungs-, Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse einbezogen werden müssen.